Eigentlich formulierte es Andreas Knie noch viel pointierter: „Persönliche Mobilitätsformen gehören enteignet. Und noch klarer „Alles was Eigentum ist, wird des Teufels sein.“ Eine radikale Einschätzung. Der Politikwissenschaftler und Soziologe blickte in seinem Vortrag Die Zukunft der Mobilität [Video] aufs Jahr 2020. Wir würden 50% unserer Primärenergie für den Verkehr ausgeben, wenn sich nichts ändert. Eine „Verkehrswende“ ist die logische Konsequenz. Vor allem müssten wir über das Auto nachdenken. Ich wusste nicht, dass schon heute rund 60% der 18-29jährigen kein eigenes Auto haben und damit eine „neue Form der Mobilität“ einläuten.
Abgefahren und Abgehoben
Der Hochschullehrer von der TU in Berlin bot uns einen fulminanten Einstiegsvortrag in den 52. Webmontag in der Brotfabrik am 9. September. Karsten Sauer und Florian Schrodt gestalteten das Programm und hatten dazu sechs Referenten eingeladen, die das Thema „Mobilität“aus verschiedenen Perspektiven betrachten: von der Erde (Auto, Schiene) über den Luftraum (Flugzeug) bis hin ins All (Weltraum-Fahrstuhl).
Dem Web sei Dank: Nachhaltig mobil
„Wer hat in den letzten zwei Jahren eine Mitfahrgelegenheit genutzt?“, fragt Moritz Gomm etwas provokant ins Plenum. Wie erfreulich: etliche Hände gehen hoch. Damit hätte ich nicht gerechnet. Der Unternehmensgründer und Business Developer beschäftigt sich mit innovativen Produkten und Softwarelösungen – auch rund um die Mobilität.
Die klassischen Mitfahrangebote aus den 80er Jahren haben sich – fast würde ich sagen – klammheimlich erweitert. Vom Trampen mit einer Mini-Infrastruktur, über Meet ‚n‘ Drive bis hin zum professionellen Car Sharing – es gibt Lösungen für alle Bedürfnisse. Die modernen Mitfahrkonzepte erlauben spontane Entscheidungen und sind dynamisch. Erstaunlich, wie komplex inzwischen der Markt ist. Wenn das nur alle potentiellen Kunden wüssten…vor allem die aus der analogen Welt. Sein Vortrag Nachhaltiger Mobil per Web: Mitfahrgelegenheiten, Car Sharing & Co [Video]. vermittelt einen kompletten Überblick über die unterschiedlichen Sharing-Möglichkeiten.
Angenehmer Nebeneffekt: Car Sharing führt zu einer geringeren CO2-Belastung, es werden weniger Parkplätze benötigt und mehr kommuniziert.
Übrigens, meine Hand blieb unten bei der Einstiegsfrage, aber der Samen ist gesät.
Vom Stehzeug zum Fahrzeug
Die Planung der Mobilität wird also komplexer – wir wollen uns individuell fortbewegen und dabei unterschiedliche Verkehrsmittel „smart“ miteinander vernetzen. Dieser Herausforderung widmet sich Qixxit. Stefan Hörsken nahm auch in seinem Vortrag Smarte Mobilität von Tür zu Tür [Video] das Fahrzeug aufs Korn. Wir alle wollen einfach nur wirklich zügig und zuverlässig – bestenfalls auch günstig – von A nach B kommen. Mit diesem Wertewandel hat das Auto als Statussymbol praktisch ausgedient.
Qixxit verknüpft unterschiedliche Verkehrsmittel miteinander und erstellt unterschiedliche Reiseketten vom Start bis zum Ziel. Der Nutzer hat vielfältige Filterangebote, Fahrplaninformationen gibt es in Echtzeit. Launch des Tools ist in gut einem Monat.
Nie mehr Stau
Wie kann man den Staus ein Schnäppchen schlagen? So schwer kann das doch nicht sein, sinnierte Christian Brüggemann. Auf einigen Straßen ballt sich der Verkehr während andere fast leer sind. Also müsste der Verkehr einfach nur entzerrt werden.
Seitdem bastelt der Computer Scientist zusammen mit Kollegen an der Entwicklung eines Navigationssystems mit dem die Nutzer die Straßen optimal nutzen und stellt die Idee in seinem Vortrag Den Verkehr verschlimmbessern – Grenzen der Verkehrssysteme [Video] vor.
Ein Augenschmaus: Der Himmel über Deutschland
Hoch hinaus führten uns Kai Renz und Benjamin Meinhold von der Deutschen Flugsicherung. Sie zeigten Visualisierungen von Flugbewegungen [Video] über Deutschland. Was zunächst wie ein wirres, undurchdringliches Gespinst erscheint, entpuppt sich nach den Erklärungen als hilfreiche Darstellung von Flugspuren.
Die 3-D-Sicht ist ein hervorragendes Werkzeug für all diejenigen, die nicht wie die Fluglotsen alle Flugrouten im Kopf haben. Das dichte Netz der Flugbewegungen zeigt die Vorteile dieser Visualisierung. Analysen und Planungen werden dadurch sicher einfacher.
Mit dem Fahrstuhl ins Weltall
Noch höher hinaus führte uns Markus Landgraf von der ESA. Seine Vision klingt wahrlich utopisch: Das Ressourcen-Problem auf der Erde will er mit einem Fahrstuhl aus dem Weltall [Video] lösen. Dort könnten wir Energie und Rohstoffe in beliebigen Mengen „ernten“ – das Problem ist der Transport.
Was zunächst wie Science Fiction klingt, wird im Verlauf seines Vortrags konkreter. Mehr und mehr wich unser ungläubiges Lächeln einem ungläubigen Staunen – Wissenschaftler arbeiten an innovativen Fasern, mit denen sich gigantische Kabel herstellen lassen, die erst nach tausenden Kilometern unter ihrer eigenen Last abreißen.
Videos: Sebastian Greiner, Bilder: Clemens Riemenschneider
Sehr schöne Veranstaltung mit einem interessanten Spannungsbogen. Vom ehrlichen Nachhaltigkeitsfanatiker („Eigentum ist des Teufels“ – hey ich dachte wir retten die Eisbären 🙂 und überhaupt Teufel?? Wart ihr nicht alle Atheisten? 🙂 ) zu Visionen für eine bessere Übersicht am Flughafen bis hin zum Weltraumfahrstuhl – einer Vision für eine Zukunft für die es sich lohnt, morgens aufzustehen… Fand ich toll – weiter so.